Nun sind die Kinder wohlbehütet drei Wochen mit Papa unterwegs und ich genieße die Ruhe. Nach drei Wochen konsequentem Tagesstruktur aufrechterhalten steht mir das Kontrastprogramm wirklich voll zu. Gekocht wird allenfalls das Nötigste, geschlafen bis kurz bevor die Blase platzt und Putzen fällt ganz aus.
Erstmal entfalte ich mein Selbst mit Pinsel und Bohrer in der Hand und sorge für Wohlfühlatmosphäre in Mango und Dschungelgrün. Ebenfalls auf der To-Do-Liste: ein elaboriertes I-feel-free-and-back-in-my-20ies-Programm. Was das beinhaltet? Joggen. Klettern. Tango. Bücher zum abwinken. Yoga. Konzerte. Und eine Mutprobe! Denn ihr werdet es nicht glauben, ich bin in eine Bar gegangen. Völlig verrückt. Die heutige Jugend kennt das ja gar nicht mehr. Man betritt da so einen Ort, also so in real life, um Getränke mit lustigen Namen in sich rein zu kippen. Und nach ein paar Stunden torkelt man mit Gehörschaden und Rauchvergiftung wieder heraus. Gut, das mit der Rauchvergiftung gibt’s heute nicht mehr, das ist 90er style. Aber die Musik darf auch heute noch laut sein. Sonst kann man ja gleich zuhause bleiben.
Ich bin da also rein in die Bar, mutterseelenallein ohne Verabredung oder bekannte Gesichter und habe ich mich wagemutig ins Risiko gestürzt. Bewaffnet einzig und allein mit der Hoffnung, irgendjemand möge mit mir sprechen.
Ich kann euch beruhigen, hat wer. War dann gar nicht schwer ins Gespräch zu kommen. Es gab tatsächlich diese eine Person, die ebenfalls ohne Gegenüber an ihrem Getränk hing. Ich mich nonchalant daneben gesetzt und mich zwei Stunden lang bestens amüsiert. Bin nun um eine Telefonnummer im Handyspeicher reicher und fühle mich um 20 Jahre verjüngt. Gut 10 Jahre. Mein Gegenüber ist danach nämlich erst zum Hauptteil des Abends übergegangen, so ein Electroevent, das war mir dann doch wirklich eine Nummer zu crazy. Letztlich wars aber halt gar nicht so wild über den eigenen Schatten zu springen. Smalltalk-Skills sind immer noch Teil meines Repertoires. Was für eine Erleichterung. Gut, ich muss das jetzt nicht ständig wiederholen. Aber möglich wäre es.
Die erste Woche zieht ins Land und ein leichtes Gefühl von Einsamkeit umfasst meine Wohnung. Die Ruhe wird zur Stille und ich fange an mich zu langweilen. Außerdem würde ich meine Nase gerne mal wieder an so einem leicht ungewaschenen Kinderhals reiben. Daher packe ich meine Koffer und fahre zu meiner besten Freundin ins Allgäu. Dort werde ich in naher Zukunft neben Haus und Garten, rund 140 Enten, Hühner, Küken und eine Katze bewachen. Noch habe ich keine Ahnung auf was ich mich einlasse.
Die tägliche Arbeit im Homeoffice ruft dort wie zuhause und lässt sich von der Terrasse meiner Sommerheimat prima bewerkstelligen. Mit meiner Freundin und ihren Eltern unter einem Dach fühlt es sich an, wie in einer Art Mehrgenerationenhaus. Ich muss gestehen, in einem für mich sehr komfortablen. Endlich mal wer, der für mich kocht. Ich habe kaum mehr zu tun, als ab und zu meinen Teller in die Spülmaschine zu stellen. Dazwischen schöne Gespräche, schwimmen gehen und ausgepowert einschlafen. Könnte eigentlich so bleiben, zumindest für eine kleine Weile…
Aber gut, der Deal lautet: die Familie fliegt aus und ich bleibe mit all dem Gefieder und dem Katzentier zurück. So langsam dämmert mir, dass es mit der ruhigen Kugel nun vorbei ist. Die Tiere wollen morgens von mir zu ihrer gewohnten Zeit aus dem Stall geführt und gefüttert werden. Abends auch. Und zwar ziemlich genau zwischen 8:00 und 10:00 Uhr sowie zwischen 20:00 und 22:00 Uhr. Meinen ursprünglichen Plan, jeden, oder zumindest jeden zweiten Abend eine Berghütte zu erklimmen, lege ich ad acta. Stattdessen gewöhne ich mich an die Gesetze der Natur und daran, dass die Tiere ihren ganz eigenen Willen haben (welcher nicht unbedingt dem meinen entsprechen muss). Das läuft dann in etwa so ab: als erstes darf der Oberbestimmer-Erpel den Stall verlassen. Der zwickt sonst die anderen Enten und Hühner, sobald das Licht angeht. Danach springe ich fünfmal im Dreieck um die beiden Jungenten zu fangen. Die schaffe ich dann eine nach der anderen in ihr Außengehege. Und fluche jedes Mal, weil ich die Handschuhe mal wieder vergessen habe. Entenfußkrallen sollten nicht unterschätzt werden! Als nächstes dürfen die Hühner den Stall verlassen. Die sind meistens so verschlafen, dass sie erstmal eine halbe Stunde benötigen, um wach zu werden. Irgendwann stolziert dann ein Huhn nach dem anderen durch das Türchen in die Voliere. Sobald ich Apfelschnitze, getrocknete Würmer und gekochte Eier ins Gehege werfe, wird mächtig gegackert und geplustert. Und dann gibt es noch eine Entenfamilie mit 7 Jungtieren und vier weitere Hühnerställe mit jeweils ganz individuellen Ansprüchen …
Als meine Freundin nach einer Woche wieder heimkehrt, bin ich froh, den Job einigermaßen gemeistert zu haben. Es war zwar nicht ganz so idyllisch wie vermutet, aber nun bin ich um einige Erfahrungen reicher. Außerdem hatte ich Nullkommanull Zeit für Langeweile! Hängen bleibt bei mir jedenfalls das wohlige Gefühl, Zeit sinnvoll investiert zu haben. Ein Gefühl, welches mit Selbstbestimmung einhergeht.
Mittlerweile bin ich, sowie die zwei Abenteurer, heimgekehrt. Der Alltag auch. Und das ist gut. Gibt halt so eine Zeit für alles, für Außergewöhnliches ebenso wir für Regelmäßigkeit. Und vielleicht schafft man es ja hin und wieder, das eine in das andere zu transferieren.
Was sind Eure Erfahrungen? Zeit ohne Kinder, gut oder schwierig?