Yunnan formidable

Ein Chinabericht steht schon lange auf meiner Erinnerungen-die-es-festzuhalten-gilt-Liste. Letztlicher Auslöser, ganz in Reminiszenzen einzutauchen, war eine kulinarische Reise quer durch Südostasien mit meiner Globetrotter-Freundin Daniela. Neben vietnamesischen Sommerrollen, thailändischer Suppe, indischen Kartoffeln und grünem Gemüse war der yunnansche‘ Hähnchenbrustsalat mit Sellerie meine Entdeckung des gestrigen Abends. Ich als absolute Koch-Legasthenikerin muss ich mir an der Stelle echt auf die Schulter klopfen. Die Kombination aus Ingwer, Koriander, Sesam, Pfeffer und Knoblauch verdient in Zukunft definitiv ein größeres Plus meiner Aufmerksamkeit.

Aber was eigentlich ist dieses Yunnan? Die „Südlich der Wolken“ gelegene Region ist eine von 22 bzw. 23 Provinzen (je nach Sichtweise) Chinas. Und mit Sicherheit eine seiner interessantesten. Nicht nur, dass hier unglaublich viele ethnische Minderheiten beheimatet sind – von den 55 in China offiziell anerkannten ethnischen Volksgruppen leben 36 in Yunnan – auch geographisch ist die Provinz unfassbar divers. Von subtropischen Tälern Xishuangbannas hinter der Grenze Vietnams gelangt man bis ins tibetische Hochgebirge und somit in ganz und gar felsig und karge Regionen.

Kunming heißt die Provinzhauptstadt. Vor gut 15 Jahren ließ es sich für Expats aus dem Westen hier ziemlich gechillt abhängen. Entspannte Backpacker-Inns, Teehäuser und Parks neben der Uni, wo die Locals Majong und Xiangqi (chinesisches Schach) zocken, traumhaft günstige Wohnungen, jede Menge Studenten aus dem Ausland, Tsing-Dao Bier, viele Künstler, Freigeister, Hippies, Gestrandete und mittendrin eine deutsche Studentin auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück und Freiheit – perfekte Voraussetzungen für jede Menge Abenteuer!

Mein erstes Zimmer bezog ich in einer koreanischen Mädels-WG. Was davon hängen geblieben ist? Koreanerinnen lernen eher mehr und feiern eher weniger. Standartsatz meiner ersten 4 Monate: „Wo ting bu dong“ was so viel heißt wie „Ich versteh nix“. Ein Versuch meine Sprachkenntnisse in einer zweiten WG mit einem chinesischen Kadersöhnchen ad hoch aufs nächste Level zu heben, waren aufgrund kultureller Missverständnisse zum Scheitern verurteilt. Letztlich waren die eigenen vier Wände dann die bessere Wahl. Wenngleich der Wohnstandard chinesischer Behausungen nicht mit westlichen Maßstäben gleichzusetzen ist. Meiner Mutter ist schier die Kinnlade runtergefallen, als sie bei Ihrem Besuch meine Küche betreten hat. Gefolgt von einem ganztätigen Putzmarathon. Danke Mama, aber das wäre doch nicht nötig gewesen. 😉

Meine Sprachkenntnisse sind dann mithilfe diverser Privatlehrer*innen, einiger Sprachkurse an der Uni und unzähligen Hangouts im legendären „Speak Easy“ doch noch angestiegen. Was sonst noch deutlich besser wurde: mein Englisch, Französisch auch und außerdem meine Capoeira-Skills. Wir hatte eine australisch-, koreanisch-, amerikanisch-, französisch-, deutsche Crew gegründet, die war der absolute Hammer. Sogar die Chinesen waren beeindruckt von unserem Gehampel.

Dass reisetechnisch so Einiges ging, steht wohl außer Frage. Den China-interessierten unter Euch lege ich folgende Orte ans Herz: Dali und Lijiang, da kommt man eh durch, wenn man mit Bus und Bahn in die Nähe Tibets will. Kann sein, dass die beiden Städte, die schon zu meiner Zeit ziemlich touristisch waren, nicht mehr allzu viel ihrer Ursprünglichkeit beibehalten haben. Aber naja, wenn man schon da durch fährt, kann man auch grad ein paar Tage bleiben. Danach wird’s spannend! Wer sich traut, in Doppeldeckerschlafbussen über felsige Serpentinen hoch auf 3.550 Meter nach Deqin zu eiern, wird mit dramatischen Aussichten ins sagenumwobene Shangrila und seine schneebedeckten 6000ern belohnt!

Ganz anders aber genauso empfehlenswert ist die Reise ins entgegengesetzte Xishuangbanna, das Mini-Thailand Chinas, nicht nur wegen der superangenehmen Temperaturen und der leckeren Früchte, sondern weil man hier mega-coole Trips in den Regenwald starten und mit etwas Glück den Elefanten in freier Wildbahn beim Kacken zuschauen kann! Was ich bis heute bereue: nicht in Laos gewesen zu sein. Das grenzt hier nämlich ebenso an, wie Vietnam und Myanmar. Naja, immerhin habe ich Vietnam bereist, aber das ist schon wieder eine eigene Story wert.

Ob ich die große Freiheit gefunden habe? Ja, denn es waren zwei fantastische Jahre ohne großen Leistungsdruck, ohne Abgabetermine, ohne festgefahrene Stundenpläne und mit ganz viel sich von Tag zu Tag treiben lassen. Irgendwie aber auch nicht, denn die echte Freiheit, die entsteht ja doch mehr im Geiste. Irgendwann war‘s dann auch gut mit Abenteuer und Müßiggang. Die Freude auf die Wiederaufnahme meines Studiums war groß und der Abschied dann auch nicht wirklich schwer.  

So, und den Hühnchenbrustsalat koche ich mir morgen gleich wieder. Yunnan – formule formidable!

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